Gibt es soetwas wie Narzissmus¹ light? Einen, der niemandem etwas zuleide tut – nicht die Art, die nur im Stande ist, sich selbst zu lieben – sondern eine Selbstverliebtheit, eine Selbstentzückung, die aus einer Endeckung der Dankbarkeit entstammt?
Oft fällt mir – besonders bei Künstlern und hochbegabten oder hochsensiblen Menschen – viel eher ein Schwanken zwischen Minderwertigkeitskomplexen und Überlegenheitsgefühlen auf. Begleitet von fast beständigen starken Selbstzweifeln.
“Dass Hochmut vor dem Fall kommt, stimmt. Viele meiner Patienten haben eine soziale Phobie, sie haben ungefähr das Gegenteil von Hochmut, nämlich überstarke Bescheidenheit und Schüchternheit. Sie fürchten grundlos, dass sie ständig kritisiert und negativ beurteilt werden, und ziehen sich zurück. Weil sie sich hinterfagen, werden manche von ihnen immer perfekter und können so in der Kunst, Musik oder Wissenschaft Höchstleistungen erzielen. Sie werden die leisen Stars, die nachhaltigen Erfolg haben, während man mit narzisstischem Hochmut so schnell verglüht, wie man am Sternenhimmel erschienen ist.
sagt Borwin Bandelow, Professor für Psychiatrie und Psychotherapeut.²
In diesem Sinne sehe ich selbstverliebte Phasen viel eher als Geschenk. Warum sollte ich von mir weisen, was ich geschenkt bekomme? Ist es doch ein seltenes, ein kostbares, ein köstliches Geschenk.
Wann wagt man schon, es zu sagen, dass man sich schön fühlt? Oder reich? Beschenkt beispielsweise durch ein oder mehrere Gegenüber die die eigene Schönheit spiegeln, die Selbstentzückung, die Sternenhaftigkeit. Dabei gäbe es diesen Gefühlen mehr Raum, sie auszusprechen, sie anzuerkennen und Dankbarkeit wiederum ist ein Gefühlsverstärker (und somit Raumvergrößerer.)
Viel öfter jedoch das: Scham und Schuld sind der Rattenschwanz der Selbstverliebtheit. Bei Betrachtung dieses Themas bin ich erstaunt und schockiert, wie sehr tief in unseren Knochen das Katholische steckt (selbst wenn man sich schon weit davon entfernt zu gelebt haben glaubt) beziehungsweise “das Gesellschaftliche”. Noch immer. Nachhaltig. Solange hat man eingetrichtert bekommen, dass es peinlich ist, sich zu zeigen, dass es sich nicht schickt zu strahlen, dass man umso tiefer fällt, je höher man sich wähnt, fühlt – dass dieses Gefühl – Selbstverliebtheit – von Angst begleitet ist und von eben diesen selbstbestrafenden internalisierten Regungen von Schuld und Scham.
Und auch Scheu? Diese Verzauberung – sie ist gefährlich. Neidauslösend. Und lebensunfähig machend, glaubt man, hat man erfahren, gelernt. Ausgehend natürlich von einem Leben, das ständigen Kampf bedeutet, Rüstung anhaben, Wettbewerb, tough sein, schnell sein. Verliebtheit – auch Selbstverliebtheit – will Auflösung, Teilen, Zeigen, Schwelgen. Und das ist nicht erdbar. Das enthebt erst einmal der Erde.
Ausgehend immer noch von dem Glauben (zweiter fragwürdiger Glaubenssatz der mir bei der Betrachtung des Themas Selbstliebe auffällt), dass Alltag etwas dreckiges, staubiges, eine “Zeit der Asche” sein muss. Unangenehm, niedrig, in den Niederungen. Dass man leiden muss. Woher kommt das? Darf es, sollte es nicht viel eher auch Ziel sein, den Alltag zu erheben? Auf eine höhere Schwingung zu transferieren. Viel mehr und mehr das zum Alltag machen, was man liebt?
Für die grauen Tage und die sonnigen und für die dazwischen plädiere ich für einen Narzissmus light im Sinne von Jennifer Lawrence’s T-shirt: “If you have good thoughts, they will shine out of your face like sunbeams and you will always look lovely”…
¹Narzissmus und die Geschichte des Narkissos in der griechischen Mythologie kann jeder Googlen. Oder besser noch beispielsweise bei Köhlmeier nachlesen oder -hören.
Wie bei Märchen variieren auch bei Mythen die Erzählweisen. Folgende Fragen finde ich spannend: Inwieweit ist eine Erzählvariation (wie die Köhlmeiers) schon eine Interpretation? Was macht das Nicht-Wahrgenommen-Werden durch Narkissos mit der Nymphe Echo? Warum ist Narkissos’ Verderben der Moment in dem er sich selbst sieht? Warum erblühen dort wo Narkissos starb gewisse Blumen, die daraufhin Narzissen genannt wurden und welche Zusatzinformationen gibt uns diese Transformation und was sagt uns die Beschaffenheit dieser speziellen Blume, ihr Aussehen, ihre Form und die Umgebungsbedingungen, die sie braucht um zu wachsen über diese Geschichte? Und wie würdest du diesen Narkissos malen? Die Echo? Die Narzissen. Welche Szene aus dieser Geschichte?
²Borwin Bandelow schrieb das Buch “Celebrities – Vom schiwerigen Glück, berühmt zu sein.”
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