Licht

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“Bedenken wir die Metapher von Licht und Schatten, dann wird deutlich, dass es gar nicht so einfach ist, mit Schatten umzugehen, dass auf jeden Fall nicht einfach Licht werden kann, wo Schatten war, denn jede neue Lichtquelle wirft wieder einen neuen Schatten. Es wird in der Auseinandersetzung mit dem Schatten darum gehen, grundsätzlich eine Schattenakzeptanz zu entwickeln, zu vestehen, dass im menschlichen Leben das Helle und das Dunkle zusammenspielen; es wird auch darum gehen, eine Schattensensibilität zu entwickeln, so dass wir lernen, mit den schattenhaften Aspekten in uns verantwortlich umzugehen.”¹

Vor den Impressionisten, wegbereitend, absonderlich, einhergehend mit einer Augenkrankheit (einer Trübung der Linse des Auges) beschäftigte sich der Maler William Turner zunehmend mit dem Licht. War Licht immer schon sein hauptsächliches Interesse, sein Forschungsgebiet, scheint sich in seinen späten Arbeiten alles im Licht aufzulösen, Licht das einzige Thema zu sein, das, was alles umfängt, das, was alles ist. Alles ist Licht. Licht ist Gott.
Das war radikal.

Wie sieht das Leben eines Menschen aus, der sich der Erforschung, der Wiedergabe des Lichts verschrieben hat?
Ich darf aus aktuellem Anlass dazu den neuen Film von Mike Leigh über Mr. Turner empfehlen – definitiv ein Film, den man im Kino sehen sollte – das Licht, die Kamera orientiert sich an Turners Bildern, versucht, Turners Ästhetik in Film zu übersetzen. Es ist ein Film, der einfach zeigt, ohne zu erklären, ohne in gängige vorhersehbare Erzählweisen abzurutschen. Und so vieles wird sichtbar: Turners wilde, schnelle Malweise, seine Innigkeit, seine Intensität – aber auch die eingeschränkte Rolle der Frau im viktorianischen England und damit einhergehend die Selbstverständlichkeit mit der man als Mann seine gegebene Macht missbrauchen konnte (kann), einfach, weil es möglich ist, weil es selbstverständlich ist. Das grantige grunzende Genie lebt sich aus, die Frauen dienen ihm, aufopferungsvoll liebend. Nein, darum geht es im Film nicht, das ist nicht Thema des Films und doch wird es deutlich, spürbar, sichtbar.

¹Verena Kast: “Der Schatten in uns – Die subversive Lebenskraft”, dtv, 7. Auflage München 2012.

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