Die Nachbarn von Schönheit kennenlernen: Teil III: Scham

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Teil IX des Freitags-Mini-Seminars zum Thema Schönheit 

Als Kunsttherapeutin, die mit (jungen) Frauen mit Essstörungen arbeitet, habe ich viel mit dem Thema Scham zu tun.
Als Frau habe ich viel mit dem Thema Scham zu tun.
Als Frau, die mit Frauen arbeitet, habe ich viel mit dem Thema Scham zu tun.
Als Künstlerin, die (hauptsächlich) Frauen malt, interessieren mich Masken.

Und sowohl als Künstlerin als auch als Kunsttherapeutin frage ich mich: Gibt es eine “gute” und eine “böse” Scham? Kann man dieses unangenehmste aller Gefühle transformieren? Und wie? Kann man dieses Gefühl, das grundsätzlich darauf angelegt ist,
zu verstummen
zu verdecken
zu verhüllen
schockzugefrieren
auch positiv deuten?
Gibt es so etwas wie eine produktive Scham?

Scham ist die internalisierte Stimme derjenigen Eltern, Großeltern, sonstiger Erziehungsbeteiligter, die uns als Kind erziehen wollten zu Bescheidenheit und uns schützen wollten. Vor? Ja, wovor eigentlich? Und waren ihre Motive liebevoller oder angstvoller Natur? Sind sie gar selber mit und durch Beschämung erzogen worden?
Sie, die Scham, fährt dabei schwere Geschütze auf: Demütigung, Bloßstellung, Peinlichkeit. Das reicht für einen ziemlich undurchdringlichen gläsernen Käfig um uns, den wir zu spüren bekommen, wenn wir an Schamgrenzen stoßen.
Das reicht, um die Selbstgeißelungspeitsche hervorzuziehen und uns damit zu geißeln, nach jeder Übertretung ins unbekannte, aufregende Schamland, wo wir glänzen und uns blamieren und unsere Grenzen neu stecken können.
Das reicht um einen Eisenring um unseren Hals zu legen, der es fast unmöglich macht, noch Worte hindurchzuquetschen.

Neben diesen begrenzenden verinnerlichten Stimmen durch die sich Scham äußert hat sie aber auch die Funktion uns zu schützen, unser Innerstes, unser Intimstes.
Und inwiefern hat Scham mit Schönheit zu tun? Wenn ich mich zeige, wenn ich hervortrete aus der anonymen Masse, wenn ich schön bin, sichtbar, bin ich auch bewertbar, beschämbar, greifbar, angreifbar. Also setze ich eine Maske auf: Eine Maske als Mittel der Verstärkung des Ausdrucks, eine Maske um kontrollieren zu können, welches Gesicht ich zeige, eine Maske als Schutz vor dem Gesehen Werden, Angegriffen Werden.

Welche Masken produziert deine Scham? Was ist deine “schönste” Schammaske?

Gemeinsam und an der Schnittstelle von Kunsttherapie und Kunst lade ich dich ein, dich dem Thema Maske zu nähern und über individuelle Lieblingsmasken zu reflektieren. Und dabei nicht mehr passende, einengend gewordene Masken zu transformieren und spielerisch neue, veränderte, durchlässigere Masken auszuprobieren.

Bei Interesse an einem Maskenworkshop melde dich bei mir.

Weiterführende Literatur:

  • Mario Jacoby: Scham-Angst und Selbstwertgefühl. Ihre Bedeutung in der Psychotherapie.
  • Leon Wurmser: Die Maske der Scham – die Psychoanalyse von Schamaffekten und Schamkonflikten.