Bilderbuch für dein inneres Kind

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Mit zwei Kolleginen bin ich dabei einen Workshop mit dem Titel “Ein Bilderbuch für dein inneres Kind” zu erarbeiten. Dabei möchte es um eine köstliche, inspirierende, berührende Möglichkeit der Begegnung gehen mit inneren kindlichen Anteilen, die uns so viel zu sagen hätten, die uns erst ganz machen, die aber aufgrund verschienster Erfahrungen (die da heißen: Leben, Erwachsenwerden, Erziehung) abgespalten sind oder traurig, beschämt, verborgen, vergessen sich verstecken.

Es gibt ganz wenige Kinder auf der Welt, die das Glück hatten, um ihrer selbst willen geliebt zu werden. Und diese Kinder zeichnen sich alle dadurch aus, dass sie sich nicht anstrengen müssen in der Welt um Bedeutsamkeit zu erlangen

Gerhard Hüther

In diesem Blogbeitrag möchte ich etwas vom Arbeitsprozess teilen, denn ich bin selber ganz beglückt und berührt davon. Und übrigens eignet sich dieses Tool natürlich auch für ein Einzelsetting:

Voilà: Meditation ist ein erster Schritt um Kontakt aufzunehmen zum inneren Kind. Weitere Hilfestellungen um in seine Spähre eintauchen zu können sind eine Schatzkiste an kleinen Figürchen, Edelsteinen, Muscheln, Fundstücken, etc als Repräsentanzen, die spontan gefunden werden und dem inneren Kind in einer Vorstellungsrunde eine Stimme verleihen. An Materialien nimmt jede Teilnehmerin ein schon gebundenes Buch schönen unlinierten starken Papiers mit, bzw schöne ansprechende Papiere, die im Nachhinein gebunden werden können. Ich stelle eine Vielfalt von Material zur Verfügung: bunte Seidenpapiere, Aquarellfarben, Acryl, Pastellkreiden und bei der Arbeit mit dem inneren Kind insbesondere auch: Glitzerndes, Stempel, Pickerl – alles was das kitschliebende Kinderherz beglückt.

Im Folgenden teile ich Bilder, die in meinem Bilderbuch entstanden in einer Session entstanden sind, in der wir zu zweit gearbeitet (meditiert, gefühlt, gemalt, reflektiert) und erzähle anhand dieser von Erkenntnissen entlang eines möglichen Gestaltungsprozesses:

Erinnerungen an Tanz und an Tanzen gemeinsam mit meinem Mann und meiner Tochter in den vergangenen Tagen ist noch in meinen Zellen gespeichert, noch durch mich um mich vibrierend und zeitigt sich anscheinend in meiner Gestaltung. Genauso wie mein momentanes Projekt, die Arbeit an einem “richtigen” Bilderbuch in meinen Händen gespeichert ist, sich hier aber viel freier zeigt.

Ich weiß warum ich so und so reagiere mit meinem Kind, weil meine Mutter mir diese und jene Ängste mitgegeben hat, sagst du. Und jetzt. Wie kann ich das ändern, wo es mir bewusst geworden ist? Stimmt, Analyse reicht nicht. Aber Erkennen ist der wichtige erste Schritt. Und dann: Man muss tiefer gehen. In den nichtsprachlichen Bereich. Da, wo man sich nicht auskennt.

Doch wie kommt man dorthin? Kontrolle verlieren.

Ich schlage für das Arbeiten am Bilderbuch für das innere Kind Techniken vor, die es ermöglichen, sich überraschen zu lassen, die Kontrolle zu verlieren: wässrige Techniken, spontane Drucktechniken, “blindes Zeichnen” und eine Vielfalt von Materialien, mit denen man sich “die Hände schmutzig machen kann”, die ein Eintauchen ermöglichen.

Und so wird erst ein Raum geschaffen. Hintergrund oder vielmehr: ein fast embryohaftes Werden. Erst ganz zarte inneinanderrinnende Farbflächen, wässrig, transparent. Zunehmend materieller. Zunehmend: Formen. Figuren. Gesten. Worte. Sätze.

Sinn und Sinnlichkeit

Darin kann fließen, was auch immer fließen möchte, entstehen, was entstehen möchte: rosa, pink, Schmetterlinge, Einhörner,… ohne Gefühlserwartung, ohne ästhetische Erwartung (“Kinder haben keine Ästhetik” meinte ein Vater, als beim ansonsten großartigen Club “Shake Baby Shake”* auf wiederholten Wunsch “Let it go” von “Frozen” gespielt wurde. Meinend: Guter Geschmack, schlechter Geschmack, Kitsch – das sind keine Kriterien für Kinder.) Und sobald wir in die Welt unseres inneren Kindes eintauchen, sind wir auch davon befreit.

In meinen Bildern taucht Duft auf, Riechen. Tanzen. Schmetterlinge, Blüten. Ja – und dann hoppelt sogar ein Kaninchen herüber – von meinen Träumen in deine Meditation, deine Vison, deine Erzählung und tauchen in meinem Bilderbuch wieder auf. Flauschigste, weiße Angorakaninchen. Ich kenne sie schon als Boten des Naiven, Kindlichen, als Einladung zum Berühren, in die Welt des Sinnlichen, Duftigen, Flauschigen. In den Moment. Das Momentane. “To stop and smell the roses” oder eben: sich hinunterbeugen (im Autobahntunnel aus Beton mit rasendem Metall rundherum – wie in einem Traum von mir) zum Kaninchen, sich ihm nähern und es streicheln. Wie bei Momo wird die Zeit angehalten, das Rasen. “Die sind so stark, dass sie klein und flauschig sein können”, sage ich.

Die Antagonisten: Das Brutale und das Zarte. Das Gefährliche und das Verletzliche. Das Naive und die “harte Realität”. Und das ist einer der existentiellen Konflikte, die sich auftun, sobald man Eltern wird. Oder eben: sobald man sich mit dem inneren Kind beschäftigt:

Wie kann man schützen, was so schützenswert ist, so bewahrenswert: eben jene kindliche Unschuld, Offenheit, Zartheit, Neugier, Lebenslust – wenn rundherum das Leben tobt – laut, gefährlich, hart, brutal, gemein, all das? Die Antwort meiner Träume und meiner Arbeit am Bilderbuch für mein inneres Kind jedenfalls ist diese (und es ist nicht leicht, Informationen, die einem von Bildern geschenkt werden, in Worte zu übersetzen): Ich weiß: Nicht Abhärtung gegen all die Verletzungen, die passieren könnten, nicht andauerende Angst (sie macht wahnsinnig) kann die Antwort sein.

Das Dreckige und das Weiße, das Zarte und das Brutale existieren nebeneinander, durchdringen einander, sind koexistierende Ebenen, das ist das Leben. Das Zarte ist nicht weniger stark.

Nein, es ist nicht falsch, das Schöne sehen zu wollen, schaffen zu wollen, das Zarte zu sein, zu fühlen – denn auch das ist Leben und mindestens so real wie die “harte Realität”. Ich nehme deine Einladung an, Kind (Kind im Außen, Kind im Innern), und beuge mich hinab zum weißen Kaninchen und streichle es, ich rieche an der Blume und lasse den Schmetterling auf mir landen. Und meine Angst? Sie streichle ich auch.

Und zunehmend: Auflösung, Reduzierung. Nichts mehr beweisen müssen. Nicht zeigen müssen, was man alles kann. Nein, es entsteht mit Leichtigkeit.

*”Shake Baby Shake” ist ein monatlich stattfindender Club im WUK in Wien, der Kinder und Eltern zum Tanzen einlädt.

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